John
Barry

Der Preisträger von 5 Oscars und 4 Grammys schrieb einige der bemerkenswertesten Filmmusiken unserer Zeit. Frei geboren – Die Königin der Wildnis, Asphalt Cowboy, Goldfinger, Jenseits von Afrika, Der mit dem Wolf tanzt, Eine Frau aus vergangenen Jahren und Dutzende anderer Soundtracks stammen aus John Barrys Feder.

Seit Jahren zeigen sich Kritiker von Barrys Stil beeindruckt: diese einzigartige Fähigkeit, die Stimmungen der unterschiedlichsten Filme zu erfassen – vom Fantasy-Abenteuer eines James Bond-Thrillers bis hin zu episch-romantischen Traumbildern der Filmemacher unserer Zeit – ohne dabei seinen unverwechselbaren Stil zu verlieren.

Er wurde 1933 im englischen York als John Barry Prendergast geboren. Sein Vater war Besitzer einer Kinokette, wo John in seiner Jugend arbeitete und schon früh seine Faszination für Film und Filmmusik entdeckte. Als Teenager nahm er Trompetenunterricht und vertiefte sich in ein Musikstudium, welches er während seiner Zeit bei der Army fortsetzte (inklusive eines Fernstudiums mit dem berühmten Stan Kenton – Arrangeur Bill Russo). Nach seinem Wehrdienst gründete er eine Rock’n Roll-Band, die »John Barry Segen«, womit er bei verschiedenen Live-Gigs und einigen TV-Tanzsendungen wie »Six-Five Special«, »Oh Boy!« und »Drumbeat« auftrat. 1958 waren sie Supporting-Act des Sängers Adam Faith, und als dieser mit dem Film Beat Girl 1960 ins Filmgeschäft einstieg, lieferte Barry den passenden Jazz/Rock-Soundtrack.

Beat Girl wurde der erste englische Film, dessen Score auf einer Langspielplatte veröffentlicht wurde. Barrys Experimente mit Streicher-Arrangements (insbesondere auf dem Originalalbum »Stringent«), seine Tätigkeit als Arrangeur und Produzent für EMI Artists, und sein unaufhörliches Streben nach einem breiteren musikalischen Spektrum, ermöglichten es ihm bald, bei einigen Low-Budget-Filmen mitzuarbeiten. Das änderte sich jedoch schlagartig, als 1962 James Bond das Licht der Leinwandwelt erblickte.

Barrys Arbeit als Arrangeur, Dirigent und Interpret von The James Bond Theme im ersten 007 Film, James Bond jagt Dr.No, machte aus der Melodie einen kommerziellen Erfolg und Barry zur ersten Wahl der Produzenten Albert R. Broccoli und Harry Saltzman als Komponist der nachfolgenden Filme. Seine freche, unverschämte und aufregende Musik wurde zu einem Schlüsselelement im Bondschen Strickmuster. So schrieb er die Filmmusik für Liebesgrüße aus Moskau, verdrängte mit dem Soundtrack zu Goldfinger die Beatles von der Nummer 1 in Amerika und führte diese Tradition in den 60ern mit Thunderball, Du lebst nur zweimal und Im Geheimdienst ihrer Majestät fort. Im Rahmen von Im Geheimdienst ihrer Majestät arbeitete Barry zum ersten Mal mit Texter Hal David und Sänger Louis Armstrong zusammen, wobei der berührende Song We Have All the Time in the World entstand. Wie zeitlos der Song war, wurde 25 Jahre später klar, als er in einer Fernsehwerbung für Guinness verwendet wurde und in den englischen Top 10 landete. Barry wurde zum bekanntesten Musik-Architekten der Agenten-Filme der 60er und sein Einfluss prägt Film- und Fernsehkomponisten bis heute.

John Barry vertonte elf Bond Filme – die 007-Titelsongs wurden von den größten Stars ihrer Zeit interpretiert: Shirley Bassey (Goldfinger, Diamonds Are Forever, Moonraker) und Nancy Sinatra (You Only Live Twice) über Duran Duran (A View to a Kill) und a-ha bis hin zu The Pretenders' Chrissie Hynde (The Living Daylights). Während Barry für seine 007-Filmmusiken Weltruhm erlangte, arbeitete er auch an sehr unterschiedlichen Musikstilen für deutlich unterschiedliche Filme. Er schuf einen leichten, lyrischen Score für den Savannen-Film Frei geboren – Die Königin der Wildnis, wofür er den Oscar für den besten Song und die beste Filmmusik gewann; einen straffen, dramatischen und überraschend amerikanisches Score für Produzent Sam Spiegels Ein Mann wird gejagt und jazzige, zeitgenössische Orgel-Soli für Richard Lesters Der gewisse Kniff, um nur ein paar zu nennen.

Zur selben Zeit trieb den Komponisten seine pausenlose Suche nach unüblichen Instrumenten dazu, die musikalischen Möglichkeiten noch weiter zu erforschen. In den 60ern entstanden so einige seiner innovativsten Filmmusiken: mit einem Cymbalum für Ipcress – Streng geheim, einer Drehorgel für Das Quiller Memorandum, eine gehauchte Frauenstimme für Der gewisse Kniff, ein Cembalo für Flüsternde Wände, ein Moog Synthesizer für Im Geheimdienst ihrer Majestät, und viele andere.

Die Filmmusik von John Barry unterscheidet sich deutlich von anderen dieser Zeit, vom Actionfilm Zulu bis zu der von Kritikern umjubelten Adaptation des James Goldman Films Der Löwe im Winter mit Peter O’Toole und Katharine Hepburn. Die kunstfertige Kombination aus lateinischem Chorgesang und den dunklen Klängen eines Orchesters suggerierte das England des 12. Jahrhunderts und brachte Barry seinen dritten Oscar sowie den angesehenen englischen »Anthony Asquith Ward« ein. Auf der Höhe dieses Triumphes gewann er überdies seinen ersten Grammy für die schwermütige Mundharmonika-Melodie zu John Schlesingers Filmhit Asphalt Cowboy.

Eine seiner fruchtbarsten Zusammenarbeiten war jene mit Regisseur Bryan Forbes, der den Komponisten 1963 engagierte, um ein paar Jazz-Melodien für The L-Shaped Room zu schreiben. Seine Begeisterung für Barry resultierte darin, ihn mit dem gesamten Score zu vertrauen. Auch in den Nachfolgefilmen arbeiteten sie als Team und engagierten oftmals einzig­artige Emsembles: ein Kammer-Orchester für An einem trüben Nachmittag, eine grimmig-atmosphärische Annäherung an das  Kriegsgefangenen-Drama Sie nannten ihn King, ein mitfühlender Score für Dame Edith Evans in Flüsternde Wände, eine lebhafte Musik für die Komödie Letzte Grüße von Onkel Joe. Für den Michael Caine Film Todesfalle aus dem Jahre 1968 schrieb Barry ein Miniatur-Gitarren-Konzert für eine 15-minütige Juwelen-Raub-Sequenz, welches als einzigartige Verbindung von cineastischer Metaphorik und orchestraler Musik in die Geschichte einging.

In den 70ern verlagerte sich Barrys Interesse auch in verschiedenste andere musikalische Richtungen, von Bühne über Leinwand bis Fernsehen. 1965, nach einer erfolgreichen West End Laufzeit des Musicals Passion Flower Hotel, verbündete er sich mit dem erfolgreichen Texter Alan Jay Lerner für das Stück Lolita, My Love. Später, 1974, kreierte er zusammen mit Langzeit-Weggefährte und Texter Don Black am West End den Hit Billy mit Michael Crawford in der Hauptrolle.

Unterschiedliche Filmmusik-Aufträge forderten von dem beliebten und gefragten Komponisten, Arrangeur und Dirigenten auch unterschiedliche musikalische Aufgaben. Für seinen feinfühligen und dramatischen Score zu Maria Stuart, Königin von England erhielt er eine weitere Oscar-Nominierung. Auch schrieb er einige Songs (erneut zusammen mit Don Black) für eine All-Star-Adaption des Musicals Alice’s Adventures in Wonderland.

Sowohl künstlerische Meilensteine wie Nicolas Roegs außergewöhnlicher Der Traum vom Leben und John Schlesingers Der Tag der Heuschrecke, als auch kommerzielle Erfolge wie King Kong, Die Tiefe und Das Schwarze Loch wurden von Barrys Musik untermalt. Barry belieferte auch das Fernsehen. Mit der Titelmusik zu The Persuaders!, ATVs erfolgreichste Serie mit Tony Curtis und Roger Moore, landete er einen Chart-Erfolg. Katharine Hepburn, ein treuer Fan und gute Freundin seit Der Löwe im Winter, überzeugte Barry davon, für ihre großen TV-Filme die Musik zu komponieren, unter anderem für Die Glasmenagerie (ausschließlich Solopiano, gespielt vom Komponisten persönlich) und Liebe in der Dämmerung (ein bezaubernder, Emmy-ausgezeichneter Film mit Hepburn und Laurence Olivier). Außerdem schrieb Barry in den 70ern die Musik für die Roosevelt-Filmbiographie Eleanor and Franklin sowie für die Fortsetzung The White House Years, einige der eindruckvollsten musikalischen Erfolge in der Fernsehgeschichte.

Sah man ihn lange Zeit aufgrund seiner populären James Bond-Musiken ausschließlich als Action-Filmkomponist, überraschte Barry in den 70er und 80er Jahren mit einigen reichlich romantischen Filmmusiken. Es entstanden unter anderem der Sean Connery - Audrey Hepburn - Robin Hood Film Robin & Marian und der Kultfilm Eine Frau aus vergangenen Jahren, beide Filme liefen im Kabelfernsehen rund um die Uhr und brachten dem Soundtrack bald Gold-Status ein. Es folgte ein schwerer, jazziger Score zu Heißblütig – Kaltblütig, ebenso wie die bewegende und unvergessliche Filmmusik für Sydney Pollacks Meisterwerk Jenseits von Afrika, für die Barry seinen 4. Oscar, einen Grammy und einen Golden Globe erhielt. Für Francis Ford Coppolas The Cotton Club bekam er einen weiteren Grammy.

1988 zwang eine schwere Krankheit den Komponisten zu einer längeren Pause. Nach zwei Jahren kehrte er aber mit einem komplexen und aufregenden sypmhonischen Score für Kevin Costners Western Der mit dem Wolf tanzt zurück ins Geschäft, er bekam dafür seinen 5. Oscar und seinen 4. Grammy. Barry ist damit der erfolgreichste englische Oscar-Gewinner aller Zeiten. Danach vertonte er den 3-D IMAX Film Across the Sea of Time– eine filmische New York-Reise und wurde schließlich für den melancholischen Score zu Richard Attenboroughs Film Chaplin zum 7. Mal für den Oscar nominiert. 1998 und 1999 dirigierte er das English Chamber Orchester in Londons Royal Albert Hall und feierte damit seine triumphale Rückkehr in den Konzertsaal. Für den Soundtrack zu Leben und Lieben in L.A. kehrte er zu seinen Wurzeln zurück: der Jazzmusik! Und mit der Musik zum Film Enigma untermalte er erneut einen Spionagefilm.

Auch brachte Barry zwei Instrumental-Alben heraus: »The Beyondness« of Things und »Eternal Echoes«. Beide wurden von Kritikern für ihre warme Nostalgie und erinnerungswürdigen Melodien gelobt, die zwar nicht aus Filmen stammten, es aber mit Leichtigkeit könnten. Im Jahre 1999 wurde Barry von der englischen Königin Elizabeth II. für seine ausserordentlichen Leistungen in der Musik zum »Officer of the British Empire« ernannt. Im selben Jahr ehrte man ihn beim jährlichen Charity Music Industry Trust Dinner in London.

John Barry bekam 2001 die Ehren-Doktorwürde der Universität von York verliehen, 2004 verwirklichte er einen lang gehegten Traum und brachte gemeinsam mit Langzeit-Partner Don Black Graham Greenes Musical »Brighton Rock« auf die Bühne. Ein Jahr später sollte er der erste Komponist sein, der den »British Academy of Film and Television Arts Fellowship« erhielt und 2008 – zu seinem 75. Geburtstag – nannte ihn das berühmte Show-Business-Handelsblatt »Daily Variety« einen »Billion Dollar Composer«.

John Barry starb am 30.01.2011, in seinem Zuhause in Oyster Bay, New York.